Glück. Ein viel strapaziertes Wort. Dem einen fehlt es, der andere hat unverschämt viel, der nächste jagt im gar hinterher. Wir wünschen uns Glück. Zum Geburtstag. Zur Hochzeit. Vor der Prüfung. Sagen es leichthin. Manchmal ohne zu wissen, was es uns selbst und dem Gegenüber eigentlich bedeutet. Frage zehn Menschen, was sie unter Glück verstehen und du wirst zehn unterschiedliche Antworten erhalten. Glück ist individuell. Es ist subjektiv. Wir alle streben danach und wissen doch oft nicht, was uns eigentlich glücklich macht. Das 200qm Einfamilienhaus? Das gackernde Lachen des Kindes? Vier Wochen Campingurlaub im Outback? Ein Lottogewinn? Verheiratet sein? Single sein? Bedeutet alleine die Abwesenheit von Unglück schon Glück?

Vom Glück verlassen

In einer sehr dunklen und bedrückenden Phase meines Lebens, war ich sicher das Glück hatte mich verlassen. Es schien mir abhanden gekommen in dem Moment, als man mir meinen Sohn zum Sterben in den Arm legte. Das Schicksal hatte mir einen Arschtritt verpasst und ich war mir sicher, das Glück dreht mir nun gehässig den Rücken zu. Zeigt mir die kalte Schulter. Ich konnte es lange Zeit nicht wieder finden. Keine kleinen Glücksmomente, die das Dunkel meiner Trauer und lähmenden Sehnsucht durchdringen konnten. Vielleicht war ich auch nur blind gewesen für kleine Funken des Glücks, die doch hin und wieder in meiner Dunkelheit aufflammten. Kurz nur, zu flüchtig um sie überhaupt wahrzunehmen. Da gab es nichts das Freude gemacht hätte. Vereinzelt Besuche von Freunden, ein kurzes Aufatmen, eine Ahnung, wie es sich anfühlte zu lachen, Freude zu empfinden. Damals. Früher. In einer anderen Zeit. Dann wieder schnürte sich das Korsett der Traurigkeit fest um die Brust.

Irgendwann der Neuanfang

Ungefähr ein Jahr nach Noahs Tod beschlossen mein Mann und ich unser Leben in eine andere Richtung zu lenken, überhaupt wieder mitzumachen bei diesem Lebensding. Wir kehrten zurück in die Heimat und wie plötzlich öffnete sich eine kleine Luke in meinem glücklosen Vakuum. Ich wurde nach dem Umzug aus dem Schwarzwald, fort aus dem Tal der Tränen, in dem wir eingemauert in den schlimmsten Erinnerungen fest saßen, wie in einem Gefängnis, wieder schwanger und wagte zaghaft zu sagen: „Was habe ich Glück, wieder ein Kind haben zu dürfen.“ Und ja, es kehrte zurück, meine Tochter kam gesund zur Welt. Plötzlich lag Glück gebündelt, ja Mensch geworden in diesem kleinen Persönchen neben mir, ich konnte es halten, berühren, einatmen, sehen, greifen und allmählich auch wieder begreifen.

Wenn man die Hoffnung nicht aufgibt, bekommt das Glück die Chance zurückzukehren schrieb ich auf die Karten zu Wilde Hildes Geburt. Kinder sind für mich Glück. Mit Oski Koslowski hat es sich sogar verdoppelt. Mittlerweile fühle ich mich reich beschenkt, ich habe zwei gesunde Kinder, einen Mann, der mich trägt und erträgt, der mich liebt und den ich zurück lieben darf. Ich lebe in einem wunderhübschen kleinen Häuschen, in dem wir uns fühlen wie in einem Schloss, weil es uns gehört und wir es mit Liebe und Leben füllen. Wir nehmen aktiv am Leben teil, haben Kontakte zu anderen Eltern aus dem Kindergarten, sind im Elternbeirat, im Sportverein, im Faschingsverein. Wir besuchen Pilzfeste, Westernfestivals, Drachenflugfeste, wir schmeißen Geburtstagspartys. Wir sind lebendig. Das alles ist für mich Glück. Gesund sein, zusammen sein, aktiv sein, eingebunden sein, sozial vernetzt sein, das Leben spüren. Das ist mein persönliches Glück. Popelig und unbedeutend mag es erscheinen. Klein und unspektakulär. Und doch ist es für uns alles.

Diesen Zustand gilt es zu erhalten

Aktive Glücksverwaltung eben. Wir ernähren uns (meist) gesund, sind viel draußen an der Luft, um gesund zu bleiben. Wir halten Kontakte, laden Leute ein, statten Besuche ab, um uns weiterhin sozial zu verankert. Wir versuchen Spaß zu haben und immer Neues zu erleben. Wir sagen, dass wir uns lieben, wir passen aufeinander auf, achten einander. Wir hüten unsere Familie und unser Glück. Und mittlerweile sind sie überall, die kleinen Glücksmomente, die funkeln wie ein Prisma und ich bin dankbar, dass ich sie sehen kann und sie leuchten tief in mir drin in den schillerndsten Farben. Selbst wenn die Traurigkeit in all ihrer tintenschwarzen Schwere sich wieder über mich breiten will wie ein schwere Decke, kann ich ihr entfliehen, indem ich meine Kinder besonders fest an mich kuschle, ihren Duft einatme. Und dann flüstere ich leise: „Was habe ich doch für ein Glück, dass ihr bei mir seid.“ Genau das ist es. Mein Glück.