Nach über zwei Wochen faschingsbedingter Pause auf dem Blog, in denen es zu viel von allem gab, zu viel Helau und Konfetti, unzählige Kostüme und beschlüpfte Rollen und damit einhergehende Identitätsverwirrung, definitiv zu viele Krapfen und absurden Massen an Süßigkeiten, die Wilde Hilde und Oski Koslowski von den schneefeuchten Straßen geklaubt haben, sehnt sich mein Trubel überfrachtetes Ich nun nach der Fastenzeit und 40 Tagen bewusstem Weniger von allem. Gemäß dem Motto, das ich sehr gerne bei der Verrichtung meiner Hausarbeit verwende, dürstet es mich nach Less is the new more.

So sehr ich die närrische Zeit des Jahres auch liebe und beim Verkleiden förmlich eskaliere, mir ein Einhorn mit pastellfarbener Wallemähne auf den Kopf stülpe oder ein edles Römerinnen-Gewand überwerfe, in dem ich mich fühle wie Lucretia in Spartacus (nur weniger durchtrieben und machtbesessen vielleicht), stellt sich dennoch so etwas wie Erleichterung ein, wenn der Alltag mit Verschwinden der Kostüme auf dem Dachboden wieder ruhiger wird. Der Aschermittwoch markiert dabei nicht nur das Ende des Faschings, sondern auch den Beginn der Fastenzeit.

Ja tatsächlich, ich faste.

In der katholischen Kirche dient die Fastenzeit der Vorbereitung auf Ostern, mit intensiven Gebeten, Gottesdienstbesuchen, gelebter Nächstenliebe und fleischlosen Mahlzeiten an Aschermittwoch und allen Freitagen. Ich nehme die Fastenzeit vor Ostern gerne an, um ganz bewusst zu verzichten. Spürbar, ohne weh zu tun, aber dennoch mit merklichen Anstrengungen verbunden.

Die Klassiker in Sachen Verzicht – Fleisch, Alkohol, Zigaretten – greifen bei mir nicht. Kein Fleisch zu futtern, fällt mir nicht schwer, ich ernähre mich ohnehin größtenteils vegetarisch. Auch Alkoholabstinenz stellt keine wirkliche Herausforderung dar, solange Oski Koslowski an der Milchbar hängt und ich einem Gläschen Weißwein nur aus der Ferne freundlich zuwinken kann. Als überzeugter, fast schon militanter Nichtraucher (sehr zum Leidwesen meiner rauchenden Mitmenschen, die bitte gerne rauchen können so viel sie wollen, aber nicht in meiner Nähe und schon gar nicht in der meiner Kinder) fällt mir auch hier der Verzicht nicht schwer.

Meine Laster kommen in Gestalt sahniger Torten, knuspriger Cookies, zart schmelzender Schokolade, cremiger Puddings und köstlicher Kuchen daher. Den Süßschnabel habe ich von meinem Papa geerbt, ich vermute er ist genetisch bedingt. Oder anerzogen. Jeden Freitag meines Kleinmädchenlebens schnabulierten wir nach dem Wocheneinkauf, gemeinsam im offenen Kofferraum sitzend, eine Tafel Haselnuss-Schokolade. Auch heute noch spurtet mein Vater zu seinem Naschschrank, sobald ich mein Elternhaus betrete, um mir einen Keks zu holen. Ich nasche, weil es mir schmeckt und weil ich nicht widerstehen kann, wenn beim Bäcker ein Granatsplitter in der Auslage von der Thekenbeleuchtung angestrahlt wird. Weil der Genuss einer Himbeertorte in mir Endorphine ausschüttet und ein PistazienKokosnussMango-Eisbecher mir schon im Frühling einen Vorgeschmack auf den Sommer schenkt. Weil der saftige Bananenkuchen meiner Mutter nach Kindheit duftet.

Leider bin ich nicht nur ein leidenschaftlicher Genuss- sonder auch ein Frust-Nascher. Sobald eine Stresssituation mich umklammert, schlage ich mit Schokoriegeln nach ihr. Wenn Kummer die Seele wund kratzt, schmiere ich Nutella auf die offenen Stellen. Tobt mit knallrotem Kopf und Bluthochdruck der Wutzwerg in mir, reiche ich ihm besänftigend ein Schüsselchen selbstgemachten Vanillepudding.

Auf all diese Genussmomente und Seelenventile zu verzichten, fordert mir ein Höchstmaß an Disziplin ab und verlangt zugleich, mich im Alltag auf Alternativlösungen einzulassen. Beim Bäcker und vor den Süßigkeitenregalen lautet die Alternative hurtig weiterzugehen. Wenn meine Ausgeglichenheit in Schieflage gerät und gierig nach einer Milchschnitte schreit, muss ich mir mit einem Tässchen Tee und fünf Minuten Zeit zum Durchatmen behelfen. Oder mal kurz den Kopf in die Kissen versenken und brüllen. Das hilft zumindest beim Wutzwerg ganz gut. Auch ein regelmäßiges Wochenendläufchen wirkt Wunder in Sachen Ausgeglichenheit. Ich werde die nächsten 40 Tage also sehr viel Tee trinken, meine Kissen malträtieren und joggen gehen.

Gekoppelt an den Verzicht auf Süßigkeiten in der Fastenzeit ist der Versuch, mich möglichst bewusst zu ernähren. Wachsam nach verstecktem Zucker Ausschau halten, möglichst basisch speisen und ein frischer Selbermacher sein. Da meine Geschmacksknospen nicht nur Süßigkeiten, sondern auch sämtlichen Gemüse- und Obstsorten, Salaten in allen Varianten und basisch tolerierbaren Getreidesorten wie Quinoa und Buchweizen zugetan sind, bedeutet das weniger Askese als vielmehr aufmerksames Einkaufen und bewusstes Kochen. Es bedeutet, mich mit Lebensmitteln auseinander zusetzen, neue Rezepte auszuprobieren und es schön bunt und ausgewogen auf meinem Teller zu haben. Und wenn die Kinder dann am Essenstisch brüllen, weil sie das schöne bunte Essen überhaupt nicht schön finden, muss ich mir eben zur Beruhigung meiner Nerven eine Tasse Kamillentee machen, statt in die Speisekammer zu flüchten, um schnell ein Pralinchen in den Mund zu stecken.

Mittlerweile praktiziere ich den Süßigkeitenverzicht in der Fastenzeit schon einige Jahre. Manchmal sehr erfolgreich und für meine Verhältnisse mit erstaunlicher Ausdauer gesegnet. Manchmal scheiterte ich schon wenige Tage nach Fastenbeginn an mangelnder innerer Stärke, dem Wutzwerg oder was auch immer. Scheitern ist nicht schlimm, Durchhalten aber dennoch wesentlich erfreulicher, denn das Gefühl es geschafft zu haben, ist mit keiner Marzipantorte der Welt vergleichbar.

Um dieses Jahr den Schwierigkeitsgrad und somit das erreichbare Siegeslevel über den inneren Schweinehund zu steigern, erweitere ich den Fastenkatalog um einen zusätzlichen Aspekt. Inspiriert durch den bereits zu Beginn bemühten Satz Less is the new more versuche ich mich am Konsumfasten. Dabei werde ich auf die Anschaffung von Dingen verzichten, die ich nicht notwendigerweise zum Leben brauche. Lebensmittel, Medikamente und dergleichen sind davon natürlich ausgenommen.

Ach ja, wirst du nun sagen, das ist ja schon ein alter Hut.

Stimmt, nicke ich dir bekräftigend zu. Aber erstens braucht die olle landMOMeranze immer etwas länger bis sie sich zu etwas aufraffen kann, das sie im Grunde total gut findet, aber erst einen entscheidenden Impuls braucht, um es dann auch umzusetzen. Und zweitens habe ich mittlerweile ein DIY-Level erreicht, auf dem ich mir zutraue, vierzig Tage weder Klamotten, Hygieneartikel, Bücher, Accessoires oder Deko zu kaufen, sondern höchstselbst für kleine Freuden an der Schnickschnack-Front zu sorgen.

Mein Kleiderschrank ist gut gefüllt; auf den Luxus mir eine drölfzigste süße Schluppenbluse oder einen weiteren kuscheligen Cardigan zu kaufen, nur weil sie mir gefallen, kann ich gut verzichten, ohne nackt, frierend oder in Lumpen gehüllt auf die Straße zu gehen.

Duschbad und Körperöl stelle ich mittlerweile selbst her, der Badezimmerschrank lechzt nicht nach einem weiteren Fläschchen Öl, nur weil es abgefahren nach Sanddorn und Wildrose duftet.

Zum Lesen finde ich bedauerlicherweise so selten Zeit, dass die Titel der Bücher auf meinem Nachttisch unter der dezenten Staubschicht kaum noch zu entziffern sind. Aktuell besteht kein Bedarf Nachschub zu beschaffen.

Accessoires, die man zwar nicht unbedingt braucht, das Leben aber irgendwie ein bisschen hübscher machen, kann man gut selbst herstellen. Mal ein nettes Armband fädeln oder ein wärmendes Stirnband häkeln, sind nicht nur eine beruhigende Abendbeschäftigung, sondern stillen das Verlangen nach schmückendem Beiwerk. Man erschafft ein Unikat. Und ist am Ende auf sein im besten Fall gelungenes Projekt stolz wie ein Sellerieschnitzel. Wenn das keine Benefits sind, weiß ich auch nicht.

Das gleiche gilt im Übrigen für Dekogedöns. Gerade jetzt in der vorösterlichen Zeit lauern sie wieder überall, die putzig getupften Pastell-Porzellan-Eier und niedliche Betonhäschen, die alle eines gemeinsam haben, nämlich dass sie sich ausnehmend gut in meine Einrichtung einfügen würden. Dieses Jahr wird ganz bewusst kein neuer Schlappohrhase Einzug halten. Stattdessen werde ich seine in den letzten Jahren gekauften Kollegen vom Dachboden hoppeln lassen und mit dem ein oder anderen selbst gebastelten Objekt in Szene setzen. Wilde Hilde und ich glühen ohnehin gerade vor lauter Bastelfieber, das schreit förmlich nach Schnippsel-Klebe-Fädel-Eskalationen.

Die einzige Ausnahme im Konsumfasten mache ich bei Blumen. Eigentlich in der Kategorie Nicht-unbedingt-zum-Leben-notwendiges-Beiwerk beheimatet, möchte ich die Wirkung blühender Blumen in meinem Alltag nicht missen. Allerdings versuche ich mich auf etwas haltbarerer Blumen zu beschränken, wie zum Beispiel das wunderbare Schleierkraut. Solange es nicht in spießigen Blumenstrauß-Arrangements in Gesellschaft von Rosen und Blattgrün steckt, blüht es nämlich herrlich zart und elegant in der Vase vor sich hin. Und hält dabei deutlich länger durch, als so manche Schnittblume.

Trotz aller Fasterei will ich schließlich auf eines nicht verzichten: mich wohlzufühlen in meinem Körper, am Esstisch, im Haus und in meinem Leben.

Ich bin gespannt auf die nächsten 37 Tage (drei sind bereits ganz bravourös gemeistert).

 

Alles Liebe und gutes Durchhaltevermögen, falls du eine Fastenschwester oder -bruder im Geiste bist!

Deine landMOMeranze