Bei der Planung unseres ersten Campingurlaubs legte der Wikinger eine erstaunliche Hingabe an den Tag. Meine Bereitschaft, diese Art von Urlaub zumindest anzutesten, ließ ihn auf einer regelrechten Welle der Euphorie durchs Internet surfen. Er durchforstete Campingplatzbewertungen und prüfte verschiedene Locations auf Kinder- und Hundetauglichkeit. Sein Eifer rührte mich, besonders, weil Erfolge ausblieben.  Auf seine zahllose Anfragen folgten ernüchternde Absagen. So kurz nach Abflauen der dritten Corona-Welle hatten sämtliche in Frage kommenden Plätze entweder inzidenzbedingt noch immer geschlossen oder waren zwar geöffnet, aber bereits ausgebucht. Einige waren prinzipiell nicht interessiert an caniden Gästen. Auch die Sache mit dem versprochenen Gewässer gestaltete sich schwierig. Für uns Bayern ist das Meer weit weg. Doch wie es sich für einen kampferprobten Wikinger gehört, gab auch der mir ehelich anvertraute nicht so schnell auf und eroberte, ich meine, entdeckte schließlich die LuxOase. Direkt an einem Stausee gelegen, versprach die LuxOase alle Campingbedürfnisse zu erfüllen. Natur pur, mehrere Spielplätze, einen Pumptrack, Agility-Parcours für Hunde, moderne Waschräume – der Name war Programm. Und hatte ich schon den See erwähnt? Der Wikinger schickte sich an, mir die Vorzügen des Platzes zu erläutern, aber ich winkte lässig ab: „Du hattest mich schon bei direkt am See.“

Gesagt, gebucht, gepackt

Das Buchen ging wesentlich schneller als das Packen. Planlos wie ich als Campnovizin war, hatte ich keinen blassen Schimmer, was wir bei unserem Trip benötigen würden. Mit Hilfe einer Campen-für-Dummies-Liste aus dem Internet füllte ich Kisten und Taschen, Beutel und Koffer. Obwohl ich mich penibel an die Vorgaben hielt, ja sogar Abstriche in der B-Note machte und auf Luxusartikel wie das zweite SUP und Waschmittel verzichtete (… als Camper hat man bestimmt keine Angst vor ein bisschen Dreck an der Büx), wurde beim Anblick des Gepäcks schnell klar, dass es das Fassungsvolumen unseres Vans sprengen würde. Zumindest, wenn wir das Zelt mitnehmen wollten. Und die Kinder. Nach vielen intensiven Stunden Tetris und einigen Modifikationen am Innenraum des Wagens, gelang es dem Wikinger schließlich, Koffer, Menschen und Hund in den Innenraum des Dodge zu stopfen. Voller Abenteuerlust stachen wir in See. Mit gewichtsbedingtem Tiefgang.

Auf in den Osten!

Kleinröhrsdorf hieß uns mit dem Geruch von Pferdmist willkommen und wir fühlten uns als waschechte Landeier umgehend wohl. Das Wohlbefinden stieg, als wir uns die Parzelle selbst aussuchen durften und prompt das perfekte Fleckchen fanden- ein Kleinod, von drei Seiten mit dichten Hecken und einem schattenspendenden Ahornbaum bewachsen. Ideal reizarm für unser Fellmädchen Anouk, das mit ihren eineinhalb Jahren jedes fallende Blatt schwanzwedelnd jagt als wäre es ein saftiger Hase. Je weniger Anouk vom Gewusel auf dem Campingplatz mitbekommen würde, desto entspannter für uns. Der Platz lag strategisch günstig: Naturspielplatz und Toiletten waren fußläufig in weniger als zwei Minuten erreichbar, was vor allem die Kinder und alle schwächlichen Blasen der Familie sehr begrüßten. Apropos Begrüßen: es dauerte ganze zwanzig Sekunden bis die Kinder nach unserer Ankunft ausschwärmten, um die anderen Campingkinder kennenzulernen und den Platz zu erforschen. Etwa fünf Minuten später flitzte Hildchen vorbei, um mich kurz zu informieren, dass sie schon neue Freunde gefunden hatte. Mein „Ach, das ist ja nett!“, hörte sie schon gar nicht mehr. Um es vorweg zu nehmen, das war einer der besten Aspekte des ganzen Urlaubs. Die Beschäftigung der Kinder war ein glasklarer Selbstläufer, weil sich überall Spielkameraden fanden. Manchmal sahen wir sie erst wieder, wenn es dunkel war und sie müde in ihre Schlafsäcke gekrochen kamen. Doch zurück zur Ankunft: Abenteuerlustig wie wir sind, hatten der Wikinger und ich das neue Zelt natürlich nicht im Vorfeld probehalber aufgebaut. No risk, no fun. Der Fun war so lala, als wir mit aufgesetzter Kompetenz versuchten, die Stangen zusammenzubauen und in die richtigen Öffnungen der Zeltplane zu stecken. Das wohl am häufigsten verwendete Wort während des Aufbaus war zweifelsfrei „Hä?“, weil nicht immer ganz ersichtlich war, was wie wo befestigt werden musste. Immerhin gelang es uns noch vor Einbruch der Dunkelheit, unser Zuhause auf Zeit mit Heringen zu sichern und das war ja schon mal was. Wir feierten das Richtfest mit Fünf-Minuten-Terrine. Stilvoll können wir.

Ich bin Elsa.

Die erste Nacht war so eisig, dass ich gegen 3:46 Uhr in nebligen Wölkchen meinen Odem ausstieß und mich von der Welt mit einer schwächlich gehauchten Version von „Let it go“ verabschiedete.  Der Familienvater aus dem Wohnwagen gegenüber erzählte uns später, dass er die Heizung hatte voll aufdrehen müssen. Mit Tee und Wärmflaschen retteten wir uns gerade so durch besagte Nacht und eilten sofort nach dem Frühstück nach Dresden. Nicht um uns die Wahrzeichen der Stadt anzusehen, sondern um uns mit Jacken, Kapuzenpullis und Wollsocken für die nächste Eisnacht zu wappnen. (Spoiler: Die darauffolgenden Nächste schwitzten wir wie verrückt.)

Zurück auf dem Campingplatz fing endlich der Urlaub an. Zu meiner großen Freude mit zahlreichen Lesestunden. Natürlich wurde auch reichlich das SUP zu Wasser gelassen und versucht, Anouk mit den einheimischen Enten zu sozialisieren (was misslang) und auf dem Minigolfplatz niemanden mit unseren Querschlägern zu verletzen (was glückte). Die Zeit auf dem Campingplatz war stets sehr entspannt und kurzweilig,  bei den Ausflügen sah die Sache bedauerlicherweise etwas anders aus.

Der Kummer mit dem Hunger

Vermutlich sind meine Kinder noch nicht in einem Alter, in dem sie Stadtbesichtigungen reizvoll finden. Der Rundgang durch Meißen endete jedenfalls jäh, weil beide seuchenartig von Hunger und schlimmen Beinschmerzen heimgesucht wurden, die eine Erstversorgung mit Wiener Würstchen und eine anschließende Erhaltungstherapie mit Burgern und Pommes erforderlich machten.  Den zweiten Ausflug nach Moritzburg rettete ein in Aussicht gestelltes Eis, allerdings endete auch dieser Trip unerfreulich. Was nicht an den Kindern lag, wie ich fairerweise zugeben muss.

Vom Versprechen auf ein Eis und dem idyllischen Park des Schlosses Moritzburg euphorisiert, ließ ich meinen Rucksack versehentlich auf einer Bank bei den Enten zurück und bemerkte den Verlust erst, als alle Eistüten geschleckt waren und wir wieder im Auto saßen. Der Wikinger legte einen lupenreinen U-Turn auf der baumgesäumten Schlossallee hin und brauste zurück, aber die Bank war leer, der Rucksack fort. Mit ihm mein Portmonee samt Karten, Personalausweis und Führerschein. Hektische Telefonate mit dem Bankinstitut, jede Menge Tränen und Flüche. Die Enten zeigten sich bei der Suche nicht kooperativ und verweigerten jegliche Zeugenaussagen. Ich weinte dem Inhalt meines Rucksacks nach, besonders meinem Notizbuch, in das ich erst am Morgen die Plotskizze eines Krimis gekritzelt hatte, die mir in der Nacht gekommen waren. Wegen der stickigen Hitze im Zelt hatte ich nicht  schlafen können. Im Gegensatz zu den ebenfalls verschollenen Trinkflaschen der Kinder, waren meine Aufzeichnungen nicht zu ersetzen, denn fatalerweise lösche ich wegen knapper Speicherkapazität alles sofort aus meinem Kopf, was ich einmal zu Papier gebracht habe. Kurzum, ich war kreuzunglücklich und der Wikinger erwog bereits einen Abbruch der Reise. Dass derlei dann doch nicht nötig war, hatten wir dem Besitzer eines Moritzburger Kiosks zu verdanken, der mich am nächsten Morgen auf meinem Handy anrief, das ich glücklicherweise bei mir getragen hatte. Mit freundlichem Akzent erklärte er mir, dass ein schwarzer Rucksack bei ihm abgegeben worden war, in dem Karten mit meinem Namen steckten. (Random fact: Er hatte meinen Namen gegoogelt und die Kontaktdaten über meinen landmomeranze-Blog ausfindig gemacht. Merken: Bloggen rettet Rucksäcke, Urlaube und Romanideen!)

Happy End mit Dinos

Nach zwei eher mäßigen Ausflügen und dem Rucksack-Schock hatten wir ein versöhnliches Happy End bitter nötig. Schon lange hatte sich Oski Koslowski einen Besuch im „Saulier“- Park gewünscht. Just öffnete an unserem letzten Urlaubstag der Saurierpark in Bautzen nach langer Corona-Zwangspause seine Pforten. Dino-Fan Oski begrüßte jede Dinoplastik persönlich. Hildchen tobte sich an der Kletterwand aus und selbst der Wikinger fand einen neuen Freund.

Auch Anouk hatte irgendwann begriffen, dass Triceratops und Co nicht echt waren und trabte entspannt an der Leine. Beseelt kehrten wir nach dem Tag bei den Urzeitriesen auf den Campingplatz zurück, die Kinder herzten ihre neuen Plüschdinos aus dem Souvenirladen, ich herzte meinen Rucksack. Nur der Wikinger hatte seinen Affenkumpel zurücklassen müssen. Zum Trost kuschelten wir in der letzten Nacht besonders innig auf der Matratze und flüsterten uns liebevoll zu, dass unser erster gemeinsamer Familien-Camping-Urlaub im Durchschnitt überaus gelungen war.

Lediglich bei der Kulinarik war noch deutlich Luft nach oben. Eine Woche nur mit kochendem Wasser aufgegossene Nudelsnacks und Kartoffelbrei zu essen, war dann doch etwas zu einseitig. Auch die Salzgurken, die ich bei einem Fischimbiss gekauft hatte, konnten diesbezüglich nichts rausreißen, obwohl ich mich spontan in diese würzige Delikatesse verliebt habe. Der Wikinger trug es mit Fassung. Meine Liaison mit den Salzgurken war immer noch erträglicher als die vergangenen mit den eingelegten Knoblauchzehen oder den Zwiebelringen. Ich verliebe mich ja so leicht. Übrigens auch ins Campen. So sehr, dass der Wikinger bereits den Sommerurlaub geplant hat. Auf dem Campingplatz natürlich. Und weil wir nicht müde werden, alte Traumata überwinden zu wollen, fahren wir tatsächlich nach Usedom. Zur Not flüchte ich in die Dünen. Mit einer riesigen Portion Salzgurken.

 

 

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