Nach einem Jahr Schonwaschgang in der Kita ist Hildchen nun seit September bei den Großen angekommen, in der oberen Liga des Kindergartenbetriebs. Kindergarten unplugged sozusagen mit offenem Konzept, Freundebüchern und den ersten Einladungen zu Kindergeburtstagen.
Der Versuch die Büchse der Pandora nicht zu öffnen und das Thema Kindergeburtstag stillschweigend zu ignorieren, damit Wilde Hilde nicht auf die Idee kommt, einen solchen ausrichten zu wollen, scheiterte schnell und kläglich.
Das Kind ist erstens nicht doof. Und zweitens kein Baby mehr.
Natürlich keimte in Hildchen von ganz alleine der Plan, eine Party für ihre Freunde zu schmeißen. Wobei sie vom Begriff Freunde in diesem speziellen Fall sehr großzügig auslegte. Die gesamte Kindergartenbelegschaft samt Erzieherinnen zählte plötzlich zum innersten Kreis ihrer innigsten Herzensmenschen. Mit mütterlichem Verhandlungsgeschick bequatschte ich sie solange, bis wir die Gästezahl ihrem Alter entsprechend auf 4 Gäste gedrosselt hatten. Das erschien mir machbar. Zumal es sich ausschließlich um Mädchen handelte. Eine kleine, gut betreu-und bespaßbare Truppe, dachte ich mir und plante gemeinsam mit Hildchen also ihren ersten richtigen Kindergeburtstag, der am Wochenende nach ihrem eigentlichen Geburtstag stattfinden sollte.
Da dieser Tag auf den 2. Dezember fiel, bot sich ein winterliches Motto für die Sause an. Winterlich, aber nicht weihnachtlich, denn es sollte ja eine Party werden und kein besinnliches Christstollen-Wettschmausen. Leise rieselte der Plan einer Schneeflockenparty und gemäß des Schneeballeffekts rollte bald eine Idee nach der anderen die hügeligen Windungen meiner rechten Gehirnhälfte entlang, dort, wo die Kreativität zu Hause ist.
Die Einladungen
Aus hellblauem Tonpapier, einer Konturenschere und Finelinern entstanden Einladungen, die Wilde Hilde mit dem Stolz einer künftigen Gastgeberin an ihre Freundinnen verteilte. Sie übte sogar in der Nacht vor der Übergabe einen etwas seltsamen Text, den ich sie nach dem ersten Vortrag auf dem Weg in den Kindergarten nochmal zu überdenken.
„Hier bitte, deine Einladung. Ich kann leider nicht kommen.“
„Aber Hildchen, du bist doch die Gastgeberin. Du kannst nicht einladen und dann deiner eigenen Party fernbleiben.“
„Doch, doch, das geht.“
Bis heute weiß ich nicht, was da in ihrem Lockenkopf vorging. Um vorweg zu greifen: sie war anwesend. Zum Glück.
Die Deko
Hellblau und Weiß zogen sich als Farbelemente durch die wirklich simple, aber effektvolle Dekoration Marke Do it yourself. Pluschige Pompons aus Servietten, eine Girlande aus Tonpapier und gestanzten Schneeflocken, hellblaue Luftballons, Streudeko, ebenfalls aus gestanzten Schneeflocken und Mitgebseltütchen, gebastelt aus Butterbrottütchen, Washi-Tape, Schneeflockenstempeln und geletterten Namen. Da auch Mamas eingeladen waren, damit sich die kleinen Gäste wohlfühlen im fremden Haus, putzte sich auch der Kaffeetisch für die Großen heraus. Ich persönlich habe es als positiv empfunden, dass ein paar Mamas anwesend waren, denn sie konnten bei den Bastelaktionen gut unterstützten, wo die kleinen Künstlerinnen sich mit Kleber und Co schwer taten.
Bespaßungsprogramm
Der Zeitrahmen der Party war mit zwei Stunden recht eng gesteckt, neben Zeit für freies Spiel wollte Hilde aber unbedingt die Spielklassiker unterbringen, die sie von ihrer großen Cousine kennt. Sie skandierte schon „Topf schlagen! Topf schlagen!“, kaum dass alle Gäste ihre Rutschsocken übergestreift hatten. Mein sorgfältig ausgetüftelter Plan, die einzelne Aktionen abwechselnd nach ruhigen und aktiven Beschäftigungen zu gliedern, flog also schon zu Beginn wie Konfetti in die Luft. Topf schlagen schob ich als Highlight dennoch ans Ende der Party und überredet die Mädels als Einstieg zu einer Reise zum Nordpol. Außer Hildchen war keines der Kinder mit den Regeln dieser Abwandlung von Reise nach Jerusalem vertraut, aber die Aussicht auf Gummibärchen für alle Ausgeschiedenen tröstete über die Schwierigkeiten des Regelverständnisses hinweg.
Nach der anstrengenden Reise zum Nordpol durften sich die Mädchen mit Toilettenpapier als Schneemänner einwickeln. Nun ja. Strapazierfähigeres Klopapier wäre vielleicht hilfreich gewesen. Letztlich mühten sich die Mamas ab, die Kinder einzuwickeln und mit schwarzen Schneemannsknöpfen zu versehen. Als dann aber das Kommando ertönte die Klopapierlagen zu zerreißen, entbrannte sofort eine ausgelassene „Schneeballschlacht“. Papierfetzen flogen durchs Wohnzimmer und das laute Lachen aus fünf Kinderkehlen untermalte als ausgelassene Melodie das Treiben.
In der Zeit, die wir zur Beseitigung des Chaos benötigten, beschäftigten sich die Mädchen in Hildchens Zimmer, ritten auf ihrem Ponycycle Amadeus durchs Haus und waren völlig autark im Spiel. Fast bedauerte ich sie zu unterbrechen, um einen Schneemann im Glas zu basteln. Die Idee stammte von Pinterest, die Umsetzung hatte ich am Abend zuvor getestet und den Kindern fertige Bastelsets zusammengestellt. Das war nett gedacht, doch sobald sich der Inhalt der Gläser (karottenrote Nasen und Arme aus Pfeifenreiniger, selbstklebende Wackelaugen, funkelnde Strassknöpfe und selbstklebendes Hutband) in fünffacher Ausführung auf dem Tisch ergoss und durcheinander purzelte, herrschte heilloses Durcheinander. Wieder erwiesen sich die anwesenden Muttis als Glücksfall, sie klebten geduldig und verteilten Arme und Nasen. Richtig selbstständig konnten die Kinder nur die Füllwatte in die Gläser stopfen. Vielleicht war das Bastelprojekt etwas zu ambitioniert für Dreijährige und ein vierjähriges Geburtstagskind. Die Ergebnisse konnten sich dennoch sehen lassen und die kleinen Künstlerinnen schleppten ihre Schneemänner stolz nach Hause.
Kuchenzeit
Als weiterer Nebeneffekt der Bastelei knurrten den Damen plötzlich die Bäuchlein, denn es wurde einstimmig Kuchen gefordert.
Wenn ich mal ein Farbmotto habe, ziehe ich das auch gnadenlos durch. Und kredenzte blauen Marmorkuchen mit silbernen Schneeflocken. Sah irgendwie giftig aus und zum Glück litt kein Kind und Lebensmittelfarbenallergie. Geschmacklich gab es nichts zu meckern, Marmorkuchen schmeckt halt nach…Marmorkuchen und die Kinder saßen sehr gesittet am Tisch und genossen ihr Kuchenkränzchen sichtlich. Zwischendurch kochte die Stimmung kurzfristig etwas über, als sich die feinen Mademoiselles gegenseitig mit Pipi- und Kacka-Rufen hochschaukelten, aber ich fand das alles im Rahmen, wenn man diesen Rahmen eines Kindergeburtstages entsprechend etwas großzügig feststeckt.
Auf den Kuchen folgte Wilde Hildes langersehntes Topf schlagen. Mittlerweile waren auch die restlichen Mütter eingetrudelt und beobachteten ihre Kinder beim Versuch sich auf dem Boden robbend einen kleinen Preis zu erklopfen. Auch hier war ich überrascht, das Hildchen offenbar die einzige mit Topfschlag-Erfahrung war. Vielleicht sind wir mit unserer Spielauswahl aber auch schlicht zu old school. Immerhin pflegte ich schon bei Geburtstagspartys in den Achtzigern mit dem Kochlöffel auf Töpfe einzudreschen. Aber Wilde Hilde findet so was gut. Und darum geht es ja.
Auch ihr Wunsch nach Kinderdisco wurde selbstverständlich als letztes Highlight umgesetzt. Gemeinsam mit den Kindern, einem flackernden Discolicht und dem Fliegerlied machte ich mich mal schön zum Horst, tanzte, hopste und sang mit den schwitzenden, sich drehenden und vor Lachen kugelnden Mädchen durchs Wohnzimmer. Nach drei Zugaben, unter anderem dem roten Pferd, erlöste mich mein Mann dann und stellte die Deckenbeleuchtung wieder an.
Die letzte Schneeflocke war geschmolzen und die Party zu Ende.
High Five für meinen Mann und mich. Wir hatten den erste Kindergeburtstag unserer Elternkarriere gemeistert. Ohne Platzwunden, Zerwürfnissen, Verwüstungen. In Hildchens Zimmer stand lediglich der Stuhl nicht akkurat am Schreibtisch. Mehr Unordnung gab es nicht.
Ob das immer so moderat bleibt?
Wohl nicht.
Hildchen wird älter, ihre Freundinnen auch. Irgendwann wird sie Jungs dazu einladen wollen. Und an Oski Koslowski will ich gar nicht erst denken.
Aber hey, solange am Ende alle gemeinsam aus voller Kehle singen „Heut’ ist so ein schöner Tag!“ ist alles gut.
Und das schaffe ich auch mit Jungs. Hoffe ich…