Nach dem Fest ist vor dem Fest. Kaum sind die Weihnachtsfeiertage mit kleiner Wohlfühlwampe gemeistert, hebt bereits das nächste kalendarische Highlight winkend das vierblättrigem Kleeblatthändchen: Silvester.
Begnügte ich mich als kleines Pferdeschwanzmädchen noch mit heimischem Bleigießen und Raclette, sehnte sich die pubertierende LandMOMeranze nach einem Silvester mit viel Glitter & Gold wie ich es aus Hollywood Filmen kannte. Coole Cocktailpartys, Happy New Year-Krönchen, Konfettiregen. Der legendäre Ball Drop am New Yorker Times Square, diese gigantische Leuchtkugel, die sich in der letzten Minute des Jahres an einer Stange des Wolkenkratzers One Times Square hinab schraubt, begleitet von einem skandierenden Countdown-Chor hunderttausender Kehlen. Funkelnde Farbexplosionen unzähliger Feuerwerke. Ein melancholisches Auld Lang Syne im Hintergrund, wie es Carrie in Sex and the City – The Movie auf ihrem Weg durch das verschneite New York begleitet. Ich war natürlich nie in New York, nicht mal zu einer glamourösen Cocktailparty habe ich es geschafft. Es heißt ja nicht ohne Grund LandMOMeranze. Dennoch hängen in meinem Kleiderschrank zwei, drei Fummelchen, die ich mir einst mit der kühnen Absicht gekauft hatte, sie irgendwann einmal zu einer Silvesterparty anzuziehen. Weil sie speziell sind, ein bisschen zu kurz vielleicht um für eine Familienfeier zu taugen, aber passend für den ausgelassenen Tanz in der Nacht der Nächte.
Zusammengefasst lassen sich die Silvesterpartys meiner Sturm und Drang-Zeit vor allem als eines bezeichnen: gescheitert. Ich war entweder zu betrunken um den Jahreswechsel noch bei Sinnen zu erleben oder so schmerzhaft von Liebeskummer gebeutelt, dass ich mit meinen verheulten Augen kaum das Feuerwerk sehen konnte. Im schlimmsten Fall hatte ich Liebeskummer und war betrunken.
Während der späten Jahre dieser Sturm und Drang-Zeit, als Mitzwanzigerin der Phase ständigen Liebeskummers entwachsen und mit besserem Gefühl für maximale Pegelstände ausgestattet, endeten die geplanten durchtanzten Nächte entweder vor den Türen der wegen Überfüllung geschlossenen Clubs oder aufgrund der Launen meiner Freundinnen, die urplötzlich lieber nach Hause wollten oder dem abrupten Beginn einer fiebrigen Grippe oder fehlender Mitfahrgelegenheiten.
Irgendwann hatte ich in der Silvesterplanung ein Frustrationslevel erreicht, das den Beschluss reifen ließ, den Jahreswechsel künftig überhaupt nicht mehr zu feiern.
Im Jahr nach diesem Beschluss wurde ich schwanger.
Noahs erstes Silvester verbrachten wir bis zum Vormittag in der Klinik, nach der erlösenden Entlassung streifte ich ihm am Abend vorsichtig ein Partyhütchen über und hielt ihn den ganzen Abend fest im meinem Arm.
Das erste Silvester ohne Noah feierten wir gar nicht.
Das erste Silvester mit der Wilden Hilde läutete einen Wendepunkt ein. Als Mama hatte ich mich endgültig von gatsbyesken Party-Vorstellungen verabschiedet. Mit Baby im Tragegurt zieht es sich schlecht um die Häuser. Schließlich will man nicht, dass dem Neugeborenen die Sektkorken um den flaumigen Schädel fliegen.
Habe ich gerade Sektkorken gesagt?
Solange erst Wilde Hilde, nun Oski Koslowski noch an der Milchbar hängen, knallt da ohnehin nichts.
Und ganz ehrlich?
Ich vermisse das auch nicht. Im vergangen Jahr überraschte mich Silvester mit einer ganz neuen Qualität, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Der Mann heizte im verschneiten Garten den Grill an, brutzelte Lachssteaks und Maiskolben. Nach dem Essen drängten wir uns um eine Feuerschale in der ein kleines Lagerfeuer loderte, Wilde Hilde ließ Marshmallows schmelzen, wir schlürften selbstgemachten Punsch, ließen das Jahr Revue passieren und freuten uns, weil unsere Aufzählungen aus überwiegend positiven Ereignissen, Wendungen und Fügungen bestand. Vereinzelt knallten schon ein paar aberwitzige Böller, die Hildchen staunen ließen und wir rannten ein paar Mal durch den Garten, um im wadenhohen Schnee Spuren zu hinterlassen und außer Puste zu sein und unser Herz laut in der Brust schlagen zu hören, die Hand meiner kleinen Tochter fest in meiner. Wir zündeten Riesenwunderkerzen an, deren unverwechselbarer Duft in der kalten Winternacht kogelig in die Nasen stieg und prächtiges Funkengestöber in die Dunkelheit zauberte.
Als wir wieder im warmen Wohnzimmer saßen und Hildchen halfen den Löffel mit dem Bleistück über die Kerze zu halten, musste ich schmunzeln. Weil es sich ein bisschen anfühlte wie früher. Zu Hause. Wenig Glamourös. Aber irgendwie warm im Bauch. Und geborgen.
Kurz vor Mitternacht kletterten wir auf Kinderstühle, zählten den Countdown und hüpften Hand in Hand ins neue Jahr.
Wilde Hilde pfefferte begeistert eine Packung Knallerbsen auf das vereiste Pflaster in der Einfahrt, wusste kaum in welche Richtung sie zu erst schauen sollte, um den pfeifend aufsteigenden Raketen beim farbenfrohen Explodieren zuzusehen und hielt als trainierte Schlafverweigerin durch, bis das neue Jahr zweieinhalb Stunden alt war. Silvester fühlte sich erstmals gelungen an.
Und dieses Jahr?
Der Times Square wird noch immer auf meine Anwesenheit verzichten müssen, auch eine Einladung zu einer Cocktailparty flatterte mir bislang nicht ins Haus. Wie schon im Vorjahr stimmt mich das in keinster Weise mehr traurig.
Oski Koslowski wird in seinem Bettchen schlummern und sich nicht mal vom wilden Geböller der Dorfjugend aus dem Schlaf reißen lassen. Mit Hildchen ist erfahrungsgemäß sehr gut Silvester feiern. Statt geschmolzenem Blei in kaltes Wasser zischen zu lassen, wird erstmals mit Wachs orakelt. Ansonsten halten wir an dem fest, was sich im vergangenen Jahr bewährt hat. Lachs. Knallteufel. Lotti Karotti. Uno. Wunderkerzen. Wir werden auf den Stühlen stehen, uns an den Händen halten und ins neue Jahr hüpfen. Gemeinsam. Als Familie.
Und vielleicht schlüpfe ich sogar in eines meiner glamourösen Silvesterkleider. Party ist schließlich, was wir daraus machen.
Egal wie du Silvester feierst, ob wild und ausgelassen, mit kleinem Sekträuschchen oder in der Nachtschicht, ob zu Hause mit Freunden oder alleine mit Johannes B. Kerner und Andrea Kiewel im Fernseher, ich schütte einen imaginären Konfettiregen über dir aus und wünsche dir ein wunderbares neues Jahr 2018, in dem es immer einen Grund mehr gibt zu lachen als zu weinen.
Alles Liebe deine LandMOMeranze