Seinen 5. Geburtstag hatte Oski Koslowski schon lange im Voraus geplant. Seit Weihnachten, um genau zu sein. Eine ziemlich ausgedehnte Planungsphase, wenn man bedenkt, dass der Geburtstag erst Mitte April ist. Genug Zeit also, alles en detail auszuarbeiten. Die Gästeliste zum Beispiel, inklusive Sitzordnung. Dezidierte Menüabfolgen und einen ausgeklügelten Ablaufplan für die beliebtesten Spiele zur Kinderbelustigung. Selbst ein dezidiertes Vorgehen des morgendlichen Weckens war minutiös ausgetüftelt worden, begleitet von Instruktionen, in welcher Art der Darbietung die Glückwünsche vorgetragen werden sollten.
„Ihr kommt mit Kuchen und einer Kerze dlauf ins Schlafzimmer und singt dleimal Happy Birthday. Erst normal, dann mit Klatschen und dann noch in quatschig mit Ketchup im Schuh!“
Insgeheim hatte ich gehofft, er wurde sich ein R zum Geburtstag wünschen, aber er war ganz zufrieden mit seinen L’s und benutzte sie weiter gloßzügig, pardon, ich meine natürlich, großzügig.
Oski Koslowskis Vorfreude war liesig gloß!
Und während die Freude exponentiell zu jedem verstreichenden Tag wuchs, wurde mein Mutterherz immer schwerer. Ich sah Enttäuschung in dunklen Wolken am Horizont aufziehen. Die Art von Enttäuschung, die mit herzzerreißendem Gewitter niedergeht. Platzartige Schauer in Gestalt bitterer Kindertränen. Natürlich würde sich das Happy Birthday-Konzert am Morgen ohne Probleme inszenieren lassen. Im Klatschen und Quatschmachen waren wir sehr geübt. Bei allen anderen Wünschen jedoch, taten sich pandemiebedingt nun schon das zweite Jahr in Folge große Lücken zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf. Der Umfang der Gästeliste würde wohl den geltenden Beschränkungen zum Opfer fallen und im schlimmsten Fall lediglich eine haushaltsfremde Person am Kaffeetisch Platz nehmen dürfen. Ich drückte mich lange davor, meinem Söhnchen zu sagen, dass seine Party nicht so stattfinden würde, wie er sie sich in bunten Farben ausgemalt hatte. In Rot, Blau und Weiß um genau zu sein, denn das Motto war in diesem Jahr Spiderman. Irgendwann aber musste ich die schlechte Nachricht überbringen und mit Oski gemeinsam seine Enttäuschung aushalten.
Unwetter mit anschließendem Landregen
Wie erwartet flossen ergiebig Tränen und Unmut über dieses „doofe Colona“ äußerte sich donnergleich. Als Oski sich weitestgehend gefasst hatte, fragte er schniefend:
„Bekomme ich tlopsdem eine Spiderman-Party? Auch wenn keine Gäste kommen?“
„Natürlich“, beeilte ich mich zu sagen, „und es gibt auch Sushi und Schokoladenkuchen. Alles, was du willst.“
Korrekterweise hätte es freilich „Alles was möglich ist“ heißen müssen. Oder besser: „Alles, was zu diesem Zeitpunkt erlaubt ist.“ Aber im mütterlichen Trosteifer legte ich die Latte des Wunscherfüllens versehentlich etwas zu hoch.
Ich musste harte Geschütze auffahren.
Um all die Entbehrungen zu kompensieren, bestellte ich online Spiderman-Lego, -Kostüm und -Handschuhe, roten Fondant für die Torte und bastelte comichafte Sprechblasen für die Deko. Und ein Skateboard gab es auch noch dazu, weil er sich schon so lange eines wünschte. Und einen Transformer, obwohl ich die Dinger doof finde.
Verzweifelte Versuche, Oskis Sehnen nach einer stilechten Spiderman-Party im Rahmen der Möglichkeiten zu erfüllen.
Mit gebunden Händen. Mit beschränkten Mitteln.
Aber mit den besten Absichten einen kleinen Jungen glücklich zu machen und verdammt nochmal unvergessliche Erinnerungen zu schaffen an eine Zeit, die man vorzugsweise so schnell wie möglich vergessen will.
Am Geburtstagsmorgen sangen wir voller Inbrunst.
Die Kerze auf dem Mini-Schokoladen-Gugelhupf, den wir dem Geburtstagskind an seinem Ehrentag vor die verschlafenen Augen hielten, flackerte aufgeregt. Bei der Klatsch-Performance gingen wir körperlich an unsere Grenzen. Wir wünschten Oski Ketchup in den Schuh und geizten nicht mit Umarmungen.
Die kleinen Details der Dekoration ließen ihn staunen, die hastig ausgepackten Geschenke aufgeregt quietschen. Voller Entzücken schlüpfte er in das Spiderman-Kostüm und zog es drei Tage nicht mehr aus. Und dann auch nur, weil ich des Geruchs wegen darauf bestehen musste.
Wir aßen Croissants mit Marmelade zum Frühstück und selbstgemachtes Sushi zum Abendessen. Die Kinder krabbelten in kleiner Runde durch das Wohnzimmer, um beim Topfschlagen den Boden mit einem Holzlöffel zu malträtieren. Beim Schaumkusswettessen gab es nur einen ersten und einen zweiten Platz zu vergeben, was die Teilnehmer schon vor Beginn des Wettkampfs fröhlich stimmte.
Was man nicht ersetzen kann …
Das mag vielleicht alles nach einem sehr entspannten Tag klingen, und gemessen an der überschaubaren Gästezahl und des zum Spülen anfallenden Geschirrs war es das auch. Aber es kostete eben auch nicht wenig Anstrengung, die fehlenden Liebsten zu ersetzen, die sonst üblicherweise das Geburtstagskind hochleben lassen, es knuddeln und herzen. Die Verwandten und Freunde, die zusätzlich zu einem kleinen Geschenk auch das unbezahlbare Gefühl mitbringen, dass der kleine Jubilar an diesem Tag im Mittelpunkt steht und alle sich freuen, dass er da ist.
„Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst“, wurde dank Corona nun ein weiteres Mal zu „Wir haben euch heute sehr vermisst“.